Hans-Martin Stier und die Shipping Company am 23. Juni im Deutschen Haus

Achtung: neuer Veranstaltungsort!

Die Lesung findet nicht wie angekündigt auf der Freilichtbühne im Stadtpark, sondern im Deutschen Haus statt.

Hans-Martin Stier und die Shipping Company am 23. Juni im Deutschen Haus

Herr Stier, Sie haben laut Ihrer Eigenbeschreibung eine Stimme, mit der man Ölfässer abbeizen könnte. Im Programm „60.000 Seemeilen“ nehmen Sie das Publikum mit auf eine Reise in Ihre Vergangenheit als Seefahrer der 1960er Jahre. Was fesselt das Publikum eher: Ihre Stimme oder das Seemannsgarn?

Mit Seemannsgarn bezeichnet man ja erfundene Geschichten. Alles, was ich da lese, habe ich aber selbst erlebt und ist wahr! Ich war 1967 auf der Schiffsjungenschule, habe dann drei Jahre gelernt – vom Decksjungen zum Matrosen. Es war damals die letzte Zeit der Stückgutschifffahrt, mit Masten und eigenem Ladegeschirr an Bord, um in Zentralamerika, Afrika, Asien oder Indien in kleinen Häfen ohne Kräne selbst die Ladung löschen zu können. 1969 haben wir zum ersten Mal einen Container an Bord gehabt, darauf wurde dann zunehmend umgestellt. Diese Schifffahrt ist aber langweilig, man riecht nix mehr, alles ist aus Stahl und alles sieht gleich aus. Es gibt auch keine richtige Seemannschaft mehr.

War es denn vor der Containerschifffahrt wirklich die Zeit mit harten Kerlen und wilden Abenteuern, wie man sich das heute gern ausmalt?

Das waren schon abgefahrene Typen auf dem Dampfer. Da waren viele aus der Fremdenlegion, aus dem Zirkus oder auch aus dem Knast. Ich will das nicht diskreditieren, aber da waren manchmal schon Typen dabei, vor denen man sich in Acht nehmen muss. Ich als Bürgersöhnchen habe da glaube ich etwas Glück gehabt, dass ich so groß und breit bin. Aber gleich bei der ersten Fahrt als Decksjunge auf einem Bananendampfer nach Mittelamerika habe ich von einem dicken Matrosen eine aufs Maul bekommen, als ich ihm nicht die Schuhe zu machen wollte. So schnell ging das, die waren da ziemlich brutal. Es war viel harte Arbeit in verschiedenen Temperaturzonen, von Schnee und Eis bis zu 40 Grad.

Gibt es eine Lieblingsgeschichte, die Sie in Beelitz lesen werden?

 Ja, ich lese gern die über die Fischer in der Malakka-Straße. Das ist zwischen Malaysia und Indonesien. Da sind auch heute noch Seeräuber unterwegs. Das Fahrwasser wird immer enger, und nachts waren auf einmal hunderte Fischerboote vor uns. Alle mit Außenlaternen, um die Fische anzulocken. Hunderte kleine Lichter. Und wir konnten da nicht durch. Wir konnten aber auch nicht anhalten, rückwärtsfahren oder nach Backbord oder Steuerbord ausweichen. Da sind Untiefen, da wären wir aufgelaufen. Wie es ausging, erfahren die Menschen in Beelitz.

Das Publikum kennt Sie vor allem aus Film und Fernsehen, etwa aus der SOKO Köln, Babylon Berlin oder Hausmeister Krause. Was macht für Sie die Spannung aus, vor Publikum zu Lesen und Musik zu machen?

Es ist ein bisschen wie Theater oder wie ein Gig in der Musik. Gelesen habe ich vorher nur in Hörspielstudios. Als wir vor sechs Jahren mit der Shipping Companie angefangen haben, dass live zu machen, war ich mir noch nicht so sicher: Krieg ich das Publikum? Hören Sie mir zu? Es war ziemlich spannend, das auszuloten. Musiker bin ich seit den 70ern, das kenne ich. Aber auch beim Lesen habe ich Möglichkeiten, wie ich gemerkt habe. Wir haben jetzt so 35 Gigs gemacht. Viele Menschen haben mich danach angesprochen und meinten, sie haben direkt die Bilder vom Sternenhimmel in Südostasien vor Augen gehabt. Als ich das erfahren habe, habe ich da noch etwas draufgesetzt und das weiter ausgebaut. Die Geschichten sind sechs bis zehn Minuten lang. Und wenn ich merke, da ist vielleicht ein Wort, was nicht jeder kennt, höre ich auf zu lesen und spreche die Leute direkt an: Habt ihr verstanden, wo die Straße von Malakka ist, wo Backbord ist oder Achtern? Das ist ganz gut, es lockert die Stimmung. Manchmal kommen auch ehemalige Seefahrer nach dem Lesekonzert und sagen: Ja, genau so ist es gewesen! Allerdings kommen manchmal auch Leute, die dachten, wir singen Shantys. Das machen wir aber nicht.

Sie sind schon auf dem Wacken-Festival aufgetreten als Rocksänger. Wie würden Sie Ihre Musik, mit der Sie die Lesung begleiten, beschreiben?

Wir spielen Stücke, die zu den Geschichten passen. Es sind Coversongs, aber auch drei eigene Lieder. Die gecoverten Lieder interpretieren wir aber auf unsere eigene Art und Weise. Wenn ich beispielsweise erzähle, wie ich in Vancouver eine Striptease-Tänzerin kennengelernt habe und ganz schüchtern die ganze Nacht bei einem Bier am Tisch gesessen habe, mich nicht getraut habe sie anzusprechen, und dann kommt sie auf einmal zu mir… Da spielen wir anschließend Pretty Woman. Aber eben nicht die schnelle Version von Roy Orbison, sondern viel langsamer und eindringlicher. Das kommt immer gut an.

Der Auftritt in Beelitz ist in diesem Sommer: Nutzen Sie solche Abende auch, um die jeweilige Region kennenzulernen?

Ja, gern! Ich bin ja aus Berlin vor vielen Jahren nach Bergisch Gladbach gezogen. Durch die Auftritte habe ich aber gemerkt: Die Menschen im Osten hören besser zu. Sie gehen anders mit deutschen Texten um, haben ein besseres Verständnis dafür. Im Westen sind wir was die deutsche Sprache betrifft ein bisschen versaut, wir sind englische Texte gewohnt. Da habe ich mich früher schon gegen gewehrt und ab 1976 nur noch auf Deutsch gesungen. Nur bei den Coverversionen machen wir jetzt eine Ausnahme – wenn ein Song gut ist, muss man ihn nicht unbedingt eindeutschen. Die eigenen Stücke sind aber auch in diesem Programm auf Deutsch. Das goutieren die Menschen im Osten einfach, da freue ich mich drauf!

Tickets erhalten Sie für 29 Euro an allen Vorverkaufsstellen und unter reservix.de.