„Wir schreiben ein bisschen Kulturgeschichte“
Dagmar Gelbke über ihre Sicht auf Maxe Baumann
Frau Gelbke, Sie spielen bei den Beelitzer Festspielen Erna Mischke – die Rolle, in der in den Filmen Helga Hahnemann glänzte. Sie waren mit ihr jahrelang auf gemeinsamer Tour. Was ist das für ein Gefühl für Sie, jetzt genau diese Rolle zu spielen?
Ich freue mich sehr, dass das Stück wieder auf die Bühne kommt. Das ist gelebte DDR-Geschichte. Wir haben 35 Jahre Wiedervereinigung, da muss Maxe Baumann auch mal wieder gespielt werden. Ich kann nicht nachvollziehen, warum bisher stattdessen etwa „Ein Herz und eine Seele“ als West-Serie im Osten auf die Bühne gebracht wurde. Warum muss man im Osten die westdeutsche Wirklichkeit der 70er Jahre nochmal hochholen, statt zu zeigen, wie es bei uns war? Wir hatten schließlich gute Unterhaltung im Osten!
Ich habe immer als Gegenstück von Helga Hahnemann mit ihr zusammengearbeitet: Sie war die Liebe, ich mehr die Zynische und Ironische. Sie war die kleine Dicke, ich die lange Dürre. Wir waren ein Duo, das aus Gegensätzen bestanden hat – und das war der Trick unseres Erfolges.
Wie werden Sie denn die Rolle von Erna Mischke anlegen, damit es keine Kopie von Helga Hahnemann wird?
Erstmal habe ich den Kostüm- und Maskenbildnern schon gesagt: Haare abschneiden und Bob-Frisur wird es nicht geben! Wir sind jetzt im Prozess, die Proben fangen bald an. Erna Mischke musste ja einen Fuhrpark leiten. Das läuft heute sicher anders als damals. Wir werden da jetzt in die Tiefe des heutigen Wahnsinns hineintauchen.
Sie kommen zwar aus Leipzig, eine Redakteurin der DDR-Show „Ein Kessel Buntes“ meinte aber, dass Sie vom Charakter her eine Berlinerin sind. Passt Maxe Baumann da besonders gut zu Ihnen?
Ich finde ja! Ich werde aber so reden, wie ich rede, und nicht plötzlich reines Berlinerisch sprechen. Ich würde auch anbieten, das auf sächsisch zu machen. Aber da muss dann der Regisseur entscheiden, ob das passt. Es wäre dann so etwas wie eine Cousine von Erna Mischke, die auf der Bühne steht.
Sie haben auch Bücher rund ums Essen verfasst, unter anderem mit Beteiligung von Dagmar Frederic, Alexander G. Schäfer und Giso Weißbach, die sie alle in Beelitz wiedersehen werden. Es geht um Stars, Küchentratsch und leckere Gerichte. Gibt es da eigentlich auch Rezepte mit Beelitzer Spargel?
Ja. Otto Mellies, unser großer Schauspieler am Deutschen Theater, hat ein Rezept für Beelitzer Spargel im Schlafrock beigesteuert. Sozusagen Spargel auf gutbürgerliche Art. Alex Schäfer kann übrigens gar nicht kochen. Da habe ich für ihn einen gefüllten Kohlkopf gemacht, natürlich mit einem gewissen Augenzwinkern.
Planen Sie auch gemeinsame Kochabende in Beelitz? Direkt neben dem Deutschen Haus, in dem geprobt wird, ist ein Küchenstudio.
Das wäre auch eine Idee. In den Büchern geht es aber nur zweitrangig um Kochrezepte. Es sind vielmehr Überblicke über die Unterhaltungskunst der DDR. Das sind eher zeitgeschichtliche Dokumente, die zeigen, wie eine andere Kulturkonzeption im Osten ausgesehen hat.
Fast alle Darsteller, mit denen Sie in Beelitz zusammenarbeiten, kennen Sie seit vielen Jahren. Vereinfacht das die Zusammenarbeit, oder ist es da schwerer, auch mal kritische Anmerkungen zu machen?
In der künstlerischen Zusammenarbeit dürfen persönliche Befindlichkeiten keine Rolle spielen. Und mit Dagmar Frederic und Regina Thoss erarbeite ich auch gerade die Schlager-Revue „Auferstehung der Ruinen“, die im Oktober in Beelitz Premiere hat. Aber es ist immer ein Abenteuer, die Figuren eines Stückes gemeinsam zu entdecken. Ich freue mich, mit all diesen wirklich erfahrenen Kollegen diese Reise in das Maxe-Baumann-Universum zu starten. Sehr gespannt war ich auf Lars Dietrich! Ich verfolge ihn über seine ganze Karriere. Er war einmal gemeinsam mit meiner Tochter in einer Ballettschule in Berlin.
Sie scheinen nicht auszuruhen, haben sich in den vergangenen Jahren noch einmal als Studentin eingeschrieben und Kulturwissenschaften studiert. Welche Rolle haben für Sie Bühnen wie die in Beelitz für die Gesellschaft?
Die sind für mich das Allerwichtigste! Die Bühnen, die sich breit aufstellen und versuchen, Volksnähe zu halten, sind von enormer Bedeutung. Diese Bühnen mit Kleinkunst versuchen, alles möglich zu machen und wollen die Breite des Publikums erfassen, von Jung bis Alt. Das ist für mich die Grundlage einer jeden Kulturlandschaft! Ich bin der Stadt Beelitz wirklich dankbar, dass sie diese Produktion ermöglicht. Wir schreiben ein bisschen Kulturgeschichte, da der Maxe Baumann nach meiner Kenntnis zum ersten Mal seit dem Mauerfall wieder gespielt wird.


