True Costs – Die wahren Kosten von Lebensmitteln
Die meisten werden sich unter dem Begriff „True Costs“, also „wahre Kosten“, nicht wirklich etwas vorstellen können. Und das ist erst einmal nicht sehr verwunderlich, denn hierbei handelt es sich um ein kompliziertes Forschungsthema. Und doch ist es unerlässlich, dass darüber gesprochen wird und dass dieses Thema langfristig auf die gesellschaftliche und politische Agenda kommt.
Die Frage hinter den „True Costs“ lautet: Was kosten uns Lebensmittel wirklich? Soviel sei an dieser Stelle gesagt: Der Ladenpreis ist nicht der wahre Preis. Denn „True Costs“ bezeichnen eine Vollkostenrechnung für Lebensmittel, die neben der Pacht des Bodens und dem Lohn des Landwirts auch die Auswirkungen auf Luft und Wasser, Bodenqualität und Gesundheit mit einkalkuliert. Das sind also Kosten, die erst nachgelagert entstehen und die deshalb nicht im Ladenpreis enthalten sind. Jetzt könnten wir uns alle denken: „Was nicht im Preis der Lebensmittel enthalten ist, zahlen wir ja nicht und könnte uns daher egal sein.“ Das stimmt aber nicht, denn wir alle bezahlen sehr wohl einen Teil dieser Kosten und dieser Teil ist je nach Lebensmittel gewaltig.
Dr. Tobias Gaugler und sein Team vom Institut für Materials Resource Management der Universität Augsburg untersuchten diesen Sachverhalt und stellten fest, dass Lebensmittel mehr kosteten, wenn die Folgekosten für Umwelt und Gesellschaft bei der Lebensmittelproduktion mit eingepreist würden. Einige nur vier oder sechs Prozent, doch andere fast 200 Prozent mehr.
Auch in Großbritannien wurden die wahren Kosten von Lebensmittel untersucht. Die britische Stiftung für nachhaltige Lebensmittel „Sustainable Food Trust“ hat eine Studie veröffentlicht, die deutlich macht, dass unsere momentanen Lebensmittel trügerisch niedrig sind. Es fehlten die „versteckten Kosten“, worunter hier z.B. Gesundheitskosten durch Stickoxide, Feinstaub und Treibhausgase sowie Schäden durch Bodenerosion und Überdüngung von natürlichen Lebensräumen gemeint sind, die bei der Lebenserzeugung entstehen. Diese Folgekosten der Lebensmittelherstellung zahlen wir u.a. mit der Wasserrechnung für die Aufbereitung von Trinkwasser, welches aufgrund von Düngemitteln belastet ist, oder über Steuern und Krankenkassenbeiträge. Oder aber, wir zahlen sie gar nicht, sondern verlagern sie. Auf die Natur, auf die Menschen im globalen Süden oder schlichtweg auf zukünftige Generationen. Und dieses unser Verhalten zeigt bereits deutliche negative Auswirkungen: Insektensterben, den Rückgang der Tropenwälder und Korallenriffe und die Erderwärmung sind nur einige.
„Unsere Untersuchungen offenbaren eine teils enorme Differenz zwischen den aktuellen Erzeugerpreisen und den wahren Kosten“, sagt Dr. Gaugler und erklärt, dass die höchsten externen Folgekosten und damit die damit größten Fehlbepreisungen mit der Produktion konventionell hergestellter Nahrungsmittel tierischen Ursprungs – und darunter insbesondere konventionell produzierte Fleisch- und Wurstwaren – einhergehen. Bei tierischen Produkten ist die Höhe der externen Kosten vor allem durch die energieintensive Aufzucht der Nutztiere, also durch den Futtermittelanbau, die Beheizung und Belüftung der Ställe bedingt. Hinzu kommt, dass der Stoffwechsel der Tiere zu Austragungen von reaktivem Stickstoff und von Treibhausgasen führt. Der Energiebedarf von Nutztieren ist folglich bedeutend höher als bei pflanzlichen Produkten, was zu dem Schluss führte, dass Fleisch- und Wurstwaren auf Erzeugerebene dreimal so hoch sein müssten wie derzeit.
Solche ‚Vollkostenrechnungen‘ wie an der Universität Augsburg oder in Großbritannien wurden auch bereits 2016 in Ägypten im Auftrag des ägyptischen Landwirtschaftsministeriums angestellt. Mehrere Institutionen hatten dafür die Gesamtkosten von konventionell und biologisch angebautem Mais, Kartoffeln, Reis, Weizen und Baumwolle berechnet und neben den regulären Produktionskosten auch die Schäden am Klima, Boden und Wasser ermittelt und in die Rechnungen mit einbezogen.
Es hat sich gezeigt, dass die ägyptischen Bio-Produkte – obwohl sie in ihrer Erzeugung teurer sind – viel geringere gesellschaftliche Kosten verursachen und demnach auf lange Sicht deutlich günstiger sind.
Doch das aktuell vorherrschende Problem – und das gilt vermutlich für die meisten von uns, mich nicht ausgeschlossen – ist doch Folgendes: wenn die wahren Kosten nicht auf dem Preisschild stehen, kaufen wir automatisch mehr davon, da die Produkte günstiger scheinen, als sie eigentlich sind. So kommt es auch, dass immer weiter die Lebensmittel produziert werden, die uns in Wahrheit teuer zu stehen kommen. Und wer sich jetzt denkt: „Aber ich kaufe doch (fast) ausschließlich Bio- oder Fair Trade Produkte“, der sollte unbedingt damit weitermachen, denn das ist mit Sicherheit ein sehr guter Weg. Doch in der Gesamtheit werden in Deutschland noch immer über 90% unserer Lebensmittel konventionell hergestellt und diese Entwicklung ist nicht von heute auf morgen entstanden. Es ist das Ergebnis unseres Ess- und Konsumverhaltens der letzten Jahre und Jahrzehnte, gepaart mit technischen Fortschritten und der Globalisierung. Von daher gibt es nicht wirklich einzelne Schuldige, sondern viele Mitverantwortliche. In vielerlei Hinsicht sind auch die Landwirte mehr Opfer als Bösewichte. Das zeigt sich daran, dass viele Produzenten in den vergangenen Jahren gezwungen waren, ihren Betrieb aufzugeben, weil die Preise unter den Produktionskosten liegen.
Was wir also benötigen, sind neue politische Ausrichtungen und vor allem gebündelte Kräfte in allen Segmenten: bei den Bürgern, in der Landwirtschaft, im Handel, in der Wirtschaft und in der Bildung. Eine gute Sache ist, dass auch immer mehr prominente Bürger auf dieses Thema aufmerksam machen und dieses Forschungsfeld unterstützen, wie z.B. Prinz Charles und die niederländische Königin Maxima.
Quellen:
https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/grundlagen/true-cost-wahre-kosten/