Spezialzement in 1055 Meter Tiefe
Zwei Jahre Arbeit rund um die Uhr: Der mittelständische Spezialist für Untergrundgasspeicher, VNG Gasspeicher GmbH (VGS) baut derzeit seinen Untergrundspeicher in Buchholz zurück. Dazu holt das Unternehmen alle Innenrohre der 25 Bohrlöcher aus dem Boden raus und verfüllt sie nach allen Regeln der Kunst peu à peu von unten nach oben. „Wir wollen ordentlich vom Platz gehen“, sagt der für den Rückbau zuständige Projektleiter der VGS, Holger Rummel.
Schon 2015 hatte das Unternehmen beschlossen, den 1976 errichteten Speicher stillzulegen und die Anlagen zurückzubauen. Die Gründe seien wirtschaftlicher Natur gewesen, sagt Rummel. Der Speicher sei zu klein, dass sich eine für einen Weiterbetrieb notwendige Reinvestition lohnen würde. Nach 40 Jahren kämen derartige Anlagen an ihr Lebensende. Unterirdische Erdgasspeicher bilden eine Art Netzwerk, um Verbrauchsschwankungen auszugleichen und vor Engpässen in der Versorgung zu schützen. Die VGS betreibt vier Speicher in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen und gehört zum Gashandelskonzern Verbundnetz Gas. Die Muttergesellschaft ist ein europaweit tätiger Unternehmensverbund mit Hauptsitz in Leipzig und beschäftigt in den mehr als 20 Gesellschaften 1200 Mitarbeiter.
Zwischen 300 und 1055 Meter tief sind die Bohrlöcher in Buchholz – hunderte Meter unter dem Grundwasser. Sie zu verschließen, ist aufwändig, da hierfür Spezialzement verwendet und zwischendurch immer wieder Druck- und Dichtigkeitstests durchgeführt werden müssen. Hochgradige Spezialisten sind dafür am Werk – zehn bis 15 Personen am Bohrloch und weitere zehn Leute, die Zufahrten und Platzbauten errichten. „Wir kippen nicht einfach was rein und machen oben einen Deckel drauf“, sagt Rummel. Im August hat die VGS mit den Arbeiten begonnen. Dafür war ein umfangreiches Genehmigungsverfahren bei der zuständigen Landesoberbehörde, dem Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg notwendig. Das letzte Gas ist in Buchholz im Jahr 2018 aus dem Speicher geholt worden.
Bohrung für Bohrung arbeiten sich die Spezialisten vor. Das zweite Bohrloch an der B2 ist schon fast verschlossen. Um einfache Bohrlöcher „bergbaulich zu verwahren“, wie es im Fachjargon heißt, brauchen Rummels Leute 30 Tage, bei komplizierteren können es schon mal zwei Monate werden. Bis November 2022 sollen sich die Arbeiten hinziehen. Die Fachleute sind an sieben Tagen in der Woche und rund um die Uhr im Einsatz. Nur im Dezember und im Januar will Rummel eine Ausnahme machen – wenn die beiden Bohrlöcher in der Nähe von Salzbrunn rückgebaut werden. Um Lärmbelästigungen für die Anwohner – durch das Klackern der Rohre und die Dieselgeneratoren – zu vermeiden, werde man dort nicht nachts arbeiten, sagt Rummel. Am Ende wird der Boden über dem Speicher, aus dem bisher noch kleine Gasköpfe – ähnlich wie Hydranten – herausgucken, wieder landwirtschaftlich genutzt werden.
Im Untergrund von Buchholz war Erdgas in einem so genannten „Porenspeicher“ gelagert worden. Das Gas wurde dazu in das Porengestein unterhalb der Deckschickt gepresst und verdrängte damit Wasser. Mit der Zeit kam das Wasser zurück und drückte das Gas wieder hinaus. Der Speicher in Buchholz konnte bis zu 175 Millionen Kubikmeter Gas speichern – ein Volumen, das ausreichte, um 30.000 Haushalte ein Jahr lang zu versorgen. In den letzten Jahren waren an dem Standort Buchholz bis zu zehn Menschen beschäftigt.
Der Ortsvorsteher von Buchholz, Torsten Boecke, sieht den Rückbau deshalb mit einem weinenden Auge. „Es ist ein Stück Geschichte, das Buchholz mitgeprägt hat.“ Seine Frau habe dort noch als Kind in der Ferienarbeit Rohre gestrichen. Das Unternehmen sei auch als Sponsor aufgetreten, beispielsweise für Fußballtore. Es seien einige Buchholzer dort beschäftigt gewesen. Zu der unternehmerischen Entscheidung könne er nichts sagen, sagt Boecke. Mit dem Rückbau des Untergrundspeichers werde jedoch nun der Wegfall eines Arbeitgebers „final besiegelt“, bedauert er. Antje Schroeder