Großes Foto: Alejandra Navas Méndez (M.) hatte die Alpakazucht in Buchholz aufgebaut und die Tiere dann an Heike Gadinger (l.) und Christine Mauch-Gadinger übergeben. Die beiden bieten seit diesem Jahr geführte Touren auf den Waldwegen bei Buchholz an. Kleine, aber auch große Besucher sind von den Tieren verzaubert. Fotos: Antje Schroeder
Mit Alpakas durch den Kiefernwald
Von Antje Schroeder Die Chefin hat den Kontakt erlaubt, nachdem sie ordentlich an der Besucherin geschnüffelt hat. Dann setzt sich die Gruppe in Bewegung. Tupac zwar noch etwas widerwillig – zu verlockend ist der Klee im Hof. Zwei kurze Rucke an der Leine, dann setzt er sich in Bewegung. Amarú und Pachakutek folgen ihm. Es geht aus dem Tor hinaus, über den Weg und die Straße, gegenüber in das Wäldchen hinein. Alpakawanderung um die Finca „Pachamamas“ in Buchholz. Seit Januar bieten Heike Gadinger und Christine Mauch-Gadinger solche geführten Touren an. Mit einem flauschigen Anden-Kamel an der Seite, das gemächlich nebenher trabt, können Spaziergängerinnen und Spaziergänger das blaue Licht, die sonnendurchfluteten Kiefernwälder, die blühenden Wiesen und die malerischen Wege des Beelitzer Sanders rund um Buchholz erst richtig auf sich wirken lassen. „Viele Besucher sind bezaubert“, berichtet Heike Gadinger.
Schon seit einigen Jahren leben Alpakas in dem Ort. Begonnen hat die Zucht Alejandra Navas Méndez, hauptberuflich Leiterin des Sprachbereichs Spanisch an der Universität Potsdam. Für sie sind die die wolligen Tiere mit dem hoch aufgereckten Kopf eine Erinnerung an die Kindheit. „Meine Familie hatte ein Haus in den Anden, dort liefen Lamas und Vikunjas frei herum“, erzählt die Argentinierin, die vor zwölf Jahren nach Buchholz kam. Sie hat sich hier am Rande des Ortes einen lange gehegten Traum erfüllt, wieder aufs Land zu ziehen.
Lamas und Vikunjas sind frei lebende Verwandte der Alpakas, die von den Inkas in Südamerika ihres weichen Fells wegen gehalten wurden. Alejandra Navas Méndez wollte die Tiere erst professionell züchten. Eine mittlerweile verstorbene Nachbarin aus Wittbrietzen, Monika Lisso, und eine Handvoll Freundinnen hätten ihr sehr dabei geholfen. Navas Méndez merkte aber schnell, dass sie es nicht über das Herz bringen würde, den Nachwuchs zu verkaufen. „Die Tiere in der Herde entwickeln eine Beziehung zueinander, warum sollte ich sie trennen“, sagt sie. Da passte es gut, dass sie Heike Gadinger und Christine Mauch-Gadinger kennenlernte, die ein großes Herz für die kuscheligen Klein-Kamele haben – und Ideen, wie man die Tiere anderweitig einsetzen kann. „Ich habe auf die beiden gewartet“, sagt Alejandra Navas Méndez augenzwinkernd.
Die Zucht haben die drei Frauen erstmal gestoppt – mit einer Grundstücksgröße von nur einem Hektar wurde es eng für die Herde mit mittlerweile elf Tieren. Die drei Alpakas sind mit ihren menschlichen Begleiterinnen inzwischen auf der Pflasterstraße am Bahnhof angekommen, posieren geduldig fürs Foto. Neben Wanderungen für die ganze Familie will Christine Mauch-Gadinger, genannt Tine, die Tiere besonders auch für Therapiezwecke einsetzen. Die Sozialpädagogin hat dazu eine zweijährige Zusatzausbildung zur „Fachkraft für tiergestützte Therapie, Pädagogik und Fördermaßnahmen im Sozial- und Gesundheitswesen“ absolviert. Menschen mit sozial-emotionalen Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten tut das freundlich-ruhige Wesen der Paarhufer gut. Mit ihren großen dunklen Kulleraugen und dem kuscheligen Fell erleichtern sie es ängstlichen Menschen, Vertrauen zu fassen.
Die Neuwelt-Kameliden sind zwar neugierig und beschnüffeln gerne mal den Besucher, gleichzeitig sind sie aber auch Distanztiere und haben es nicht gerne, wenn sie gleich mit Umarmungen bestürmt werden. Wer mit ihnen auf Wanderung geht, kann also einiges über das eigene Verhalten und das Wesen der Tiere lernen. Christine Mauch-Gadinger hat schon einige solcher Therapie-Einheiten mit einem autistischen Kind abgehalten, dem es schwerfiel, sich zu konzentrieren und auf neue Situationen einzulassen. Dessen Mutter sei erstaunt gewesen, wie viel der Junge von den Alpakas erzählt habe, so Mauch-Gadinger. Bisher müssen die Stunden allerdings meistens noch privat bezahlt werden. „Es wäre schön, wenn das Jugendamt einen Teil der Kosten tragen würde“, sagt Heike Gadinger.
Die beiden Frauen haben lange in Berlin in diversen sozialen Projekten gearbeitet. Die Zuneigung zu den Alpakas ist bei ihnen ebenfalls über längere Zeit gewachsen. Heike Gadinger nennt es Leidenschaft – schon bei einer Weiterbildung nahe der Glienicker Brücke in Potsdam hatte sie in den Pausen immer die stolzen Klein-Kamele bewundert, die dort auf einer Wiese standen. Später folgte eine längere Europareise mit Stationen bei diversen Esel- und Alpakahöfen, wo die beiden Erfahrung in der Haltung und Pflege dieser Tiere sammeln konnten – und noch ein Faible für Esel hinzukam. Lisa Schieferstein, eine Arbeitskollegin, erzählte dann von einem kleinen Alpakahof in Buchholz, wo sie regelmäßig Achtsamkeitswanderungen mit den Tieren anbiete. „Da wurde ich hellhörig“, sagt Heike Gadinger.
Mittlerweile sind die beiden – von Freunden in Frankreich liebevoll „Pachamamas“ genannt – mit ihrem dreijährigen Sohn bei Alejandra Navas Méndez eingezogen. In dem Haus war gerade eine Wohnung frei geworden. Heike Gadinger pendelt immer noch dreimal in der Woche zu ihrer Arbeit in einer Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche mit Autismus nach Berlin-Steglitz. Christine Mauch-Gadinger hingegen hat die Arbeit in einem Wohnprojekt für chronisch kranke Menschen im Wedding aufgegeben und möchte sich hier eine neue Existenz aufbauen.
Ideen gibt es viele. Unter anderem ist ein Workshop im biografischen Schreiben in Kooperation mit LesLeFam e.V. für Frauen im Herbst geplant, auch die Wolle der Tiere soll verwertet werden. Alpaka-Kräuterwanderungen gemeinsam mit Kerstin Pahl vom Verein Blühstreifen sind im Gespräch, eine Idee sind auch Spaziergänge mit gleichzeitigem Spanischunterricht. Die Potsdamer Yoga-Lehrerin Anika Haselhoff wird weiterhin Yoga auf der Alpakaweide anbieten. Die Kitas in Buchholz und die Kita Kinderland Beelitz waren bereits zu Besuch bei den Pachamamas, letztere gegen eine Futterspende für die Tiere. Seit kurzem leben auch zwei Eselinnen auf der Farm, die langfristig ebenfalls für Wanderungen eingesetzt werden sollen. „Wir sind dabei, nach weiteren Kooperationen zu schauen“, sagt Tine Mauch-Gadinger. Vielleicht könnte sich auch eine Zusammenarbeit mit der Landesgartenschau ergeben.
Noch sind die Frauen am Aufbau, die Entgelte für die Wanderungen reichen gerade mal für das Futter und den Unterhalt der Tiere. Tine Mauch-Gadinger, die auch ausgebildete Krankenschwester ist, möchte im Winter zusätzlich nach einer Halbtagsstelle Ausschau halten. Mittlerweile ist die Gruppe wieder an dem kleinen Hof angekommen, Christine Mauch-Gadinger und Heike Gadinger streifen den Alpakas die bunten Leinen ab. Tupac, Amarú und Pachakutek trotten zu ihrer Herde. Tine Mauch-Gadinger blinzelt zufrieden in das Nachmittagslicht. „Es ist ein großes Glück, dass wir uns getroffen haben.“