In der Pandemie stehen Verkäuferinnen und Verkäufer an vorderster Front. Janine Günther arbeitet seit 20 Jahren für den Edeka Senteck in Beelitz und macht dort alles, vom Einräumen der Regale bis zum Kassieren und der stellvertretenden Geschäftsleitung. Mit ihr sprach Antje Schroeder Ende November vor dem Hintergrund des „Lockdown light“, der mittlerweile wieder verschärft worden ist.

Janine Günther kontrolliert die Regale. Anders als während der ersten Pandemiewelle hält sich die Hamsterlust der Menschen glücklicherweise in Grenzen. Fotos: Antje Schroeder
Advent im Lockdown. Alle sollen ihre sozialen Kontakte reduzieren, doch Sie begegnen jeden Tag zahlreichen Kunden. Wie schützen Sie sich vor Corona?
Wir schützen uns so, wie es jeder Bürger auch tun sollte. Abstand halten, Hygiene und Alltagsmasken aufsetzen. Wenn hier doch mal Kunden reinkommen, bei denen die Maske unter dem Kinn hängt, weisen wir darauf hin. Es müssen zudem nach einer Anweisung der Edeka Masken sein und keine Gesichtsschilde. Die nutzen ja nichts, weil sie unten und oben offen sind. Wir bitten, dass die Einkaufswagen genutzt werden, um den Abstand zu wahren und die Zahl der Kunden zu regulieren. Wir haben nur 60 Einkaufswagen freigegeben, da sich nur 60 Kunden gleichzeitig im Laden aufhalten dürfen. Privat halte ich mich zurück, mache keine Endloseinkäufe und gehe nach der Arbeit schnell nach Hause.
Dass Verkäuferinnen und Verkäufer selbst Maske tragen, ist ja an anderen Orten, beispielsweise in Berlin, nicht so üblich und auch nicht vorgeschrieben…
Wir haben prinzipiell unsere Masken auf. Eine Maske zu tragen, war zwar nie wirklich mein Wunsch. Aber man gewöhnt sich daran. Ich möchte mich und andere schützen.
Halten sich die Kunden auch im zweiten Lockdown noch an Vorgaben wie Abstand halten oder den Appell, nicht alles anzufassen?
Die Kunden sind mittlerweile eher genervt. Sie müssen aber akzeptieren, dass wir auf die Vorgaben hinweisen. Auch im Backshop bestehen wir darauf, entweder Zange oder Einweghandschuhe. Wenn das nicht funktioniert, müssen wir den Backshop zumachen. Es gibt ja auch andere Krankheitserreger. Dafür laufen zu viele Leute mit geschwächtem Immunsystem herum.
Wie begegnen Sie Kunden, die ihre Maske unter der Nase oder gleich gar nicht tragen?
Ich gehe hin, guten Tag, und weise darauf hin, dass sie doch bitte die Nase einzubeziehen haben. Es heißt ja auch Mund-Nasen-Schutz. Die Atmung findet eben nicht nur durch den Mund statt, sondern auch durch die Nase. Die Kunden müssen schließlich die Masken nicht den ganzen Tag tragen, so wie wir. Wenn man einkaufen geht, 20 Minuten bis halbe Stunde, das schafft man doch.
Gibt es welche, die beim Thema Maske ausfällig werden?
Ja. Der Kunde kann jederzeit eine Maske von uns haben, wenn er keine hat. Aber wenn auch die nicht aufgezogen wird, müssen wir wohl oder übel auf unser Hausrecht verweisen. Unangenehm wird es immer, wenn die Kunden anfangen, privat zu werden und mit Anzeige drohen. Das ist zum Glück bisher erst zweimal vorgekommen. Der Chef hat uns auch freigestellt, im Notfall die Polizei zu rufen, wenn er nicht im Laden ist. Ich gehe als Angestellte ja nur meinen Pflichten nach, um die Kunden und meine Kollegen zu schützen. Ich mache es nicht, weil ich Spaß dran habe, sondern weil ich es muss. Einige unserer Kunden sind allerdings von der Maskenpflicht befreit. Wenn sie eine entsprechende Bestätigung vorweisen können, haben wir damit natürlich kein Problem.
Gibt es wieder so viele Hamsterkäufe wie zu Beginn der Corona-Pandemie?
Gottseidank nicht mehr. Beim zweiten Lockdown fing es wieder ein bisschen mit dem Toilettenpapier an, aber das hat sich relativ schnell wieder gelegt. Dosen und Nudeln werden gar nicht mehr gehamstert. Die Leute wissen ja, es ist alles da. Im ersten Lockdown hatten wir stellenweise zwei, drei, vier Wochen lang leere Regale.
Fühlten Sie sich manchmal ungerecht behandelt, etwa wenn Kunden Sie persönlich für leere Regale verantwortlich machten?
Ich kann mich nur entschuldigen und sagen, es ist nicht mit Absicht. Wir können ja nichts dafür, wenn die Produktion nicht hinterherkommt. Persönlich wurde ich zum Glück nicht angegriffen. Solche Szenen, wie sie im Internet oder Fernsehen zu sehen waren, gab es hier in unserem Laden nicht. Ich bin froh darüber, dass es hier gesittet zugeht. Oft haben sich die Kunden auch bedankt, dass wir durchhalten.
Haben Sie Konzepte für besonders gefährdete Kunden, beispielsweise spezielle Einkaufszeiten für Senioren oder Lieferservices?
Wir bieten das nicht an, die Kunden können aber den zentralen Lieferservice der Edeka nutzen. Wir geben dazu gerne die Telefonnummer weiter.
Wie viele Ihrer Kunden gehören Ihrer Einschätzung nach zur Risikogruppe?
Ich würde sagen, die Hälfte, weil wir viele ältere Leute haben. Manche kommen sogar mit Beatmungsmaschine hier rein. Sie müssen aber einkaufen, weil sie keine Hilfe haben. Eine Kollegin und ich selbst sind aber auch immungeschwächt durch Medikamente.
Haben Sie bemerkt, dass ältere Menschen nun seltener kommen oder ihre Einkäufe von Verwandten oder Nachbarn erledigen lassen?
Viele ältere Leute hat man eine Weile lang nicht gesehen, dann kamen sie doch mal wieder persönlich. Ich kann das ja auch nachvollziehen, dass sie mal wieder raus und andere Leute sehen wollen. Manche kommen jeden Tag. Dann denke ich manchmal schon, sie hätten gleich für zwei Tage die Einkäufe mitnehmen können.
Haben Sie keine Angst, sich selber zu infizieren, zumal als Risikopatientin?
Nein, gar nicht. Man wäscht sich die Hände, man hat seine Maske auf. Ich habe zwar auch von dieser amerikanischen Studie gehört, wonach ein Fünftel der Verkäufer in einem US-Supermarkt infiziert waren. Ich persönlich kenne aber keinen. Von uns haben schon einige einen Corona-Test gemacht, die waren alle negativ. Dass ich arbeiten darf, macht es für mich auch einfacher. Ich liebe diesen Trubel. Zu Hause im Homeoffice würde ich eingehen. Das geht im Einzelhandel aber natürlich sowieso nicht.
Würden Sie es gut finden, wenn die Beschäftigten im Einzelhandel schnell geimpft würden?
Ja sicher. Wir haben ja wirklich den täglichen Kontakt, das ist nichts anderes als im Krankenhaus oder in der Kita. Ich glaube aber nicht, dass wir bei der Impfung Vorrang haben. Vom Einzelhandel ist noch nie ein Wort gefallen.
Rückblickend auf fast ein Jahr im Corona-Modus: Macht Ihnen die Arbeit trotzdem noch Spaß?
Auf jeden Fall. Das ist im Blut drin. Ich wusste schon vor meiner Ausbildung, dass ich den Job machen wollte und ich werde das auch bis an mein Lebensende machen. Das liegt wahrscheinlich auch an der Familie, meine Mutti ist auch im Verkauf. Ich mag den Kontakt mit den Menschen. Manche haben mal schlechte Laune, aber die meisten sind immer freundlich und man freut sich, wenn man sie sieht.
Zuletzt eine persönliche Frage: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?
Dass alle gesund bleiben, das ist das Wichtigste. Dass sie sich aufs Minimum reduzieren und keine großen Familienfeste machen, damit die Zahl der Infektionen nicht wieder hochschnellt. Man kann es sich auch zu Hause schön machen. Man hat dieses Jahr so viel verschieben müssen, da kommt es jetzt auf drei Monate auch nicht mehr an.