Die Tischdecke per Mausklick
Von ihrem Vierseithof in Wittbrietzen aus statten Peter und Katrin Reichel Hochzeiten und Restaurants in ganz Deutschland mit festlicher Mietwäsche aus
Von Antje Schroeder

Peter und Katrin Reichel aus Wittbrietzen statten Restaurants und Festgesellschaften mit Tischdecken, Servietten, Stuhlhussen und anderen Textilien aus. Fotos: Antje Schroeder
Ein Vierseithof mit großem Holztor gegenüber vom Gemeindezentrum in Wittbrietzen. Ein Eingang, wie es sie oft gibt in den Dörfern rund um Beelitz. Doch dieses Tor ist etwas Besonderes: Dahinter verbirgt sich der Traum vieler Hochzeitspaare. 20.000 Servietten, Tausende von Tischdecken in verschiedenen Größen, Formen und Farben – weiß, sektfarben und kariert – lagern hier in den Regalen eines Anbaus. Dazu Tischläufer, Stuhl- und Tischhussen, Skirtings für das Buffet – Textilien aller Art, um das große Fest noch ein bisschen festlicher zu machen.
Von diesem Anwesen aus betreiben Peter und Katrin Reichel ihren Textilservice. Bundesweit verschicken die beiden ihre Mietwäsche, statten Restaurants, Hochzeiten und sonstige Feiern und Großveranstaltungen aus. Auch einige Gaststätten in Beelitz mieten ihre Tischdecken bei dem Familienunternehmen. Der neueste Schrei sind fertig gebundene Schleifen, die nur noch über die mit Hussen bezogenen Rückenlehnen der Stühle gestreift werden müssen und einer festlich-weißen Hochzeitslocation einen individuellen Farbtupfer geben.
Wäsche im Wert von 120.000 Euro lagert in dem Vierseithof, ein Teil befindet sich bei den Restaurantkunden oder in der Wäscherei, die die Reichels mit der Reinigung beauftragen. „Wir können sofort loslegen“, sagt Peter Reichel. Das Geschäft läuft komplett über die beiden Online-Seiten der Firma. Die Kunden müssen nur mit ein paar Klicks die gewünschte Wäsche und den Zeitpunkt aussuchen, den Rest erledigt die Firma. Drei Tage vor dem Termin wird die Wäsche über einen Paketdienst versandt, nach sieben Tagen Mietdauer wieder eingesammelt und gereinigt. Acht bis zehn Tonnen Wäsche im Monat kommen so in normalen Zeiten zusammen.
Das Mietgeschäft läuft gut, zumindest wenn nicht gerade Corona ist. In den letzten Jahren ist der Umsatz jährlich um 20 Prozent gewachsen. Über Zahlen zur Höhe des Umsatzes oder Gewinns schweigen sich die Reichels aus. Das Geschäft sei aber profitabel. Das habe auch schon für den vorherigen Bügelservice gegolten, sagt Peter Reichel.
Dabei haben die Reichels ihr Unternehmen im Jahr 2004 ursprünglich aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet. Mit 40 wollte den gelernten Elektriker Peter Reichel damals niemand mehr einstellen. Katrin Reichel konnte wegen einer Mehlallergie nicht mehr in ihrem erlernten Beruf als Bäckerin arbeiten. Also gründeten die beiden kurzerhand einen Bügelservice, um den Kunden die ungeliebte Hausarbeit abzunehmen.
„Am Anfang war es schwierig, wir wurden oft belächelt.“
„Am Anfang war es schwierig“, erinnert sich Katrin Reichel. „Wir wurden oft belächelt.“ Bügelservice, das klang für viele Banken wohl nach ganz alter Schule. Für das vermeintlich unlukrative Geschäftsfeld wollte niemand einen Kredit bereitstellen. Doch die Reichels ließen sich nicht beirren, kauften aus eigenen Mitteln eine professionelle Bügelstation und boxten sich durch – und das Geschäft wurde immer mehr. So viel, bis die Reichels vor Arbeit nicht mehr aus noch ein wussten und im Jahr 2014 schließlich die Notbremse zogen. „Wir haben uns entschieden, alles umzustrukturieren und uns auf das Mietwäschegeschäft zu konzentrieren“, sagt Peter Reichel.
Zum Geschäftserfolg gehören eine ausgefeilte Logistik und eine clevere Vermarktungsstrategie. Einen dreistelligen Betrag geben die Reichels monatlich an Internetwerbung, so genannten Google Ads, aus, damit ihre Webseiten bei der Suche nach Tischdecken ganz oben stehen. In einem eigenen Podcast beleuchten Peter Reichel und sein Geschäftspartner Benedikt Schulz mit diversen Fachleuten alle Fragen um eine gelungene Party – von der Planung über die Fotografie, dem Feuerwerk bis hin zur kirchlichen Trauung. Schulz, Mitgründer des Beelitzer Restaurants „Lokal Genial“ und heute selbständig als Online-Marketing-Experte, hat auf der Seite auch einen Blog zum Thema Mietwäsche begonnen. Darin kann man unter anderem lernen, wie man Servietten richtig „bricht“, also faltet. Und was es sonst mit der dem meist 50 mal 50 Zentimeter großen Stoffstück auf sich hat – der französische Name „kleine Dienerin“ beispielsweise rührt daher, dass die Tafelgäste dank der Serviette nicht mehr Hände und Mund an der eigenen Kleidung abwischen müssen.
Im vergangenen Jahr wollten die Reichels eigentlich eine Halle mit eigenen Waschautomaten errichten und das Geschäft komplett digitalisieren. Mit eingenähten Chips sollte jedes Wäschestück über den gesamten Verleih- und Reinigungsprozess verfolgbar sein, um die Logistik noch effizienter zu machen. Diese 800.000-Euro-Investition liegt nun erstmal auf Eis. Das Geschäft ist coronabedingt eingebrochen. Statt zuvor rund 1000 Hochzeiten haben die Reichels im vergangenen Jahr gerade mal fünf ausgestattet. Hinzu kommen die Schließungen der Restaurants im Lockdown. Die ersten Restaurantkunden in Süddeutschland haben bereits aufgegeben – und die Reichels haben ihre vermietete Wäsche nicht wiedergesehen. Doch Peter Reichel ist alles in allem optimistisch. „Wir werden es überleben“, sagt Reichel. „Sobald es freigegeben ist, feiern die Leute wieder.“
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